Antwort von der Regierung

Antwort von der Regierung auf den Offenen Brief


Staatskanzle, Regierungskanzlei 8510 Frauenfeld 

 

An die Adressaten gemäss Liste im Anhang 

 

Frauenfeld, 17. Dezember 2024 

Nr. 839 

 

Offener Brief „Dringende Anpassung des Konzepts Thur3 im Hinblick auf den Ge­wässerraum, Hochwasserschutz und die Ernährungssicherheit" 


Beantwortung 

 

Sehr geehrter Herr Oettli, sehr geehrter Herr Kuhn 


Gemeinsam mit 107 Mitunterzeichnerinnen und -unterzeichnern haben Sie sich mit ei­nem offenen Brief an den Regierungsrat gewandt. Darin fordern Sie eine grundsätzliche Überarbeitung des Konzepts Thur3. Zusammengefasst sollen die Gewässerräume verkleinert und die Eingriffe näher an die Thur verschoben werden, .,um sowohl den

Hochwasserschutz als auch den Erhalt der landwirtschaftlichen Flächen sicherzustellen". Aus Ihrer Sicht besteht zudem ein Mangel an öffentlicher Mitwirkung. 

Aus Sicht des Hochwasserschutzes besteht an der Thur dringender Handlungsbedarf. Das heutige Schutzsystem funktioniert nicht mehr, weshalb es in den nächsten Jahren zwingend umgestaltet werden muss. Der Kanton ist nicht nur gesetzlich verpflichtet, den Hochwasserschutz sicherzustellen, sondern es liegt in seinem ureigenen Interesse für die Bevölkerung und die Wirtschaft. Die jüngsten Ereignisse im Kanton Wallis haben gezeigt, wie wichtig es ist, diese Verantwortung wahrzunehmen. 

Ein grosses Problem des heutigen Systems ist auch die massive Sohlenerosion. Die eingebauten Schwellen konnten sie nicht stoppen. Über kurz oder lang bringt die Sohlen Erosion die Dämme zum Kollabieren, weil sie unterspült werden. Ein Beispiel dafür ist die Autobahnbrücke bei Müllheim: Seit Messbeginn im Jahr 1989 hat sich die Sohle hier um 1.2 Meter abgesenkt. Zudem gefährdet die Sohlenerosion das Grundwasser: Sinkt die Sohle weiter ab, fliesst Grundwasser direkt in die Thur und der Grundwasserspiegel sinkt. Für die Trinkwasserfassungen und die landwirtschaftliche Bewässerung ist das problematisch. 

Es gibt nur einen Weg, den Hochwasserschutz wieder zu gewährleisten und die Sohlen Erosion zu stoppen: Die Thur braucht mehr Platz. Es ist daher keine Option, den Sta­tus quo beizubehalten. 


Das Konzept Thur3 zeigt, wie die Defizite an der Thur behoben werden können. Es gibt den groben Rahmen für künftige Hochwasserschutzprojekte vor. Das Konzept ist aus Sicht des Regierungsrates ausgewogen und wurde vor der Verabschiedung soweit opti­miert, dass das Kulturland bestmöglich geschont und der Hochwasserschutz dennoch sichergestellt werden kann. In Zahlen: Für die vollständige Umsetzung von Thur3 wer­ den in den nächsten 30 bis 35 Jahren schätzungsweise 212 Hektaren landwirtschaftli­che Fläche benötigt. Das entspricht 0,4 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche im Kanton. Im Gegenzug werden 3'750 Hektaren besser vor Überflutungen geschützt. Der Schutz des Kulturlandes ist dem Regierungsrat ein grosses Anliegen. 

Das Konzept Thur3 wurde 2022 vom Regierungsrat verabschiedet und mit deutlicher Mehrheit vom Grossen Rat zustimmend zur Kenntnis genommen. Eine Überarbeitung - zwei Jahre nach dem parlamentarischen Beschluss - ist nicht angezeigt. Im Verlaufe der weiteren Arbeiten bleibt genügend Raum für alle Interessengruppen, um ihre Anlie­gen einzubringen, bevor konkrete Projekte ausgearbeitet werden. Insbesondere für das Kulturland relevante Festlegungen werden erst auf Projektstufe gemacht, z.B. der ge­naue Verlauf der Interventionslinie. Das Konzept muss dafür nicht überarbeitet werden. 

Den Weg vom Konzept zu den Projekten will der Regierungsrat gemeinsam mit den Be­teiligten und Betroffenen gehen. Er hat dazu bereits eine Organisation aufgestellt und eine Delegierte für die Mitwirkung ernannt. Die Landwirtschaft ist in der Organisation gut vertreten. Die einzelnen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer werden zudem frühzeitig einbezogen, sobald Projekte vor Ort ausgearbeitet werden. Von einem Man­ gel an Mitwirkung kann daher aus Sicht des Regierungsrates nicht gesprochen werden. Im Gegenteil: Es gibt wohl kein Vorhaben im Kanton, das von einem derart frühen und umfassenden Mitwirkungsprozess begleitet wird. In diesem Sinne bitten wir Sie, diesen Weg ebenfalls zu beschreiten - für einen wirkungsvollen Hochwasserschutz. 

Zwischen Thur3 und der aktuellen Festlegung der grundeigentümerverbindlichen Gewässerräume durch die Gemeinden besteht kein Zusammenhang, wie im Anhang de­ taillierter erklärt wird. Es handelt sich um einen Auftrag aus dem Bundesrecht, der erfüllt werden muss. Im Anhang finden sich zudem weitere Angaben zu den Themen

Mitwir­kung, Hochwasserschutz und Revitalisierung sowie Umgang mit Kulturland. 

 

Anhang: Detailliertere Angaben zu den Themen im offenen Brief 

 

  1. Mitwirkung 
  1. Konzept Thur3 

Der Regierungsrat hat das Konzept Thur3 - vormals „Thur+: Das Hochwasserschutz­ und Revitalisierungskonzept für das Thurtal" - mit RRB Nr. 200 vom 22. März 2022 ver­abschiedet. Es enthält 15 behördenverbindliche Festlegungen, die den Rahmen für künftige Projekte an der Thur bilden. Das Konzept stellt damit eine behördenverbindli­che Grundlage im Sinne von § 2 des Gesetzes über den Wasserbau und den Schutz vor gravitativen Naturgefahren (WBSNG; RB 721.1) dar. 

Der Hochwasserschutz steht dabei an erster Stelle: Durch die Umsetzung von Thur3 werden die lnfrastrukturanlagen, die Immobilien und die landwirtschaftlichen Flächen ausserhalb der Hochwasserdämme geschützt. Die Grundwasservorkommen für die Trinkwasserversorgung und für Bewässerungszwecke können durch die stabile Sohlen­ lage gesichert werden. 

 

Der Grosse Rat nahm am 7. Dezember 2022 in zustimmendem Sinn Kenntnis vom Konzept - mit 77 Ja- zu 25 Nein-Stimmen bei 8 Enthaltungen. Das Konzept ist damit demokratisch legitimiert. Auch über künftige Korrektionsprojekte wird der Grosse Rat gemäss § 17 WBSNG entscheiden, so wie dies bereits beim Hochwasserschutzprojekt Weinfelden-Bürglen der Fall war. Die für die Umsetzung des Konzepts Thur3 notwendi­gen Planungs- und Projektierungskredite werden ihm jeweils im Rahmen des jährlichen Budgets vorgelegt. 

Vor der Genehmigung des Konzepts Thur3 wurde der Entwurf einer breiten öffentlichen Vernehmlassung unterzogen. Dabei hatten insbesondere die betroffenen Gemeinden und interessierte Kreise die Möglichkeit, sich zu den Inhalten des Konzepts zu äussern. Insgesamt gingen rund 1'300 Eingaben in unterschiedlichen Formen ein. Auf der Basis der Rückmeldungen wurden verschiedene Anpassungen am Konzept vorgenommen, wie im Mitwirkungsbericht vom 9. März 2022 (siehe thur.tg.ch) dokumentiert ist. 

Behördenverbindliche Grundlagen wirken im Übrigen nicht direkt auf die Grundeigentü­merinnen und Grundeigentümer. Rechtsverbindlich werden erst die konkreten Korrekti­onsprojekte (Bauprojekte). Bis diese vorliegen, sind zahlreiche Mitwirkungsmöglichkei­ten vorgesehen. 

 

  1. Mitwirkung durch Gemeinden, Verbände, Vereine und Interessengemein­schaften bei Planungen (informelle Mitwirkung) 

Oberstes Ziel des Regierungsrates ist es, für die Umsetzung von Thur3 ein möglichst gutes Einvernehmen mit allen Beteiligten zu schaffen. Bevor Projekte ausgearbeitet werden, startet deshalb die etappenweise regionale Planung unter Einbezug von Ge­meinden, Verbänden, Vereine und Interessengemeinschaften. Die erste Etappe geht von der Murgmündung unterhalb von Frauenfeld bis Weinfelden. 

Dabei handelt es sich um eine sogenannte informelle Mitwirkung. Um sie zu strukturie­ ren und allen Beteiligten die gleichen Mitsprachemöglichkeiten zu gewährleisten, hat der Regierungsrat die Projektorganisation Thur3 ins Leben gerufen. Wichtig für die Mit­ wirkung sind die Thur-Konferenz, die Delegierte des Regierungsrats für die Mitwirkung und der Thur-Rat. 

In der Thur-Konferenz vertreten Gemeinden, Verbände, Vereine und Interessengemein­ schaften die Interessen ihrer Bevölkerung und ihrer Mitglieder bei den regionalen Pla­ nungen. Die Auftaktveranstaltung fand am 11. Dezember 2024 statt. Mehrere Unter­ zeichnerinnen und Unterzeichner des offenen Briefes haben eine Einladung dafür erhalten. Bereits gestartet ist der Entwicklungsprozess Ländlicher Raum, indem u.a. die Interessen der Landwirtschaft gesondert beleuchtet werden. Der nächste Meilenstein ist die Abschnittsplanung, mit der die erste Etappe in einzelne kleinere Abschnitte unterteilt und die Abschnitte priorisiert werden. Hinzu kommen Planungen zum Grundwasser­ schutz und zu den Wasserversorgungen. 

Damit die Mitwirkung unabhängig von der Verwaltung funktioniert, hat der Regierungs­ rat eine Delegierte für die Mitwirkung eingesetzt. Für die Planperiode 2025 bis 2028 ist dies Dr. Hermine Hascher, Ottoberg. Sie leitet die Thur-Konferenz und hat insbeson­dere den Auftrag, dafür zu sorgen, dass alle Interessen angemessen gehört und

berücksichtigt werden. Hermine Hascher ist dank ihrem beruflichen Hintergrund bestens vertraut mit den Herausforderungen der Landwirtschaft. 

Strategisch geführt wird die Organisation Thur3 vom Thur-Rat. Darin vertreten sind ne­ ben zwei Regierungsräten sowie Vertreterinnen und Vertretern der kantonalen Verwal­tung verschiedene Anspruchsgruppen, konkret der Verband Thurgauer Landwirtschaft, Wald Thurgau, die Regionalplanungsgruppen und die Umweltverbände. Die Delegierte erstattet ihnen regelmässig Bericht über die Ergebnisse der Mitwirkung, damit diese bei den weiteren Schritten berücksichtigt werden können. 

 

  1. Mitwirkung durch Grundeigentümer und Anstösser in einzelnen Korrektionsprojekte (formelle Mitwirkung) 

Erst aus der Festlegung der Abschnitte werden sich konkrete Korrektionsprojekte erge­ben. Für die formelle Mitwirkung in den einzelnen Korrektionsprojekten gibt es rechtli­che Vorgaben: Gemäss § 5 des Gesetzes über den Wasserbau und den Schutz vor gravitativen Naturgefahren (WBSNG; RB 721.1) sind die betroffenen Grundeigentümer und Anstösser frühzeitig in das Projekt einzubeziehen. Ihre Interessen sowie weitere öf­fentliche Interessen sind angemessen zu berücksichtigen(§ 3 Abs. 3 WBSNG). Zu den übrigen öffentlichen Interessen gehören insbesondere (§ 3 Abs. 4 WBSNG): der haus­hälterische Umgang mit Kulturland; der wirtschaftliche Einsatz finanzieller Mittel; die

Landwirtschaft, insbesondere der Erhalt der landwirtschaftlichen Nutzfläche; die Fische­rei; die Forstwirtschaft; der Natur- und Landschaftsschutz; die Raumentwicklung; die Wasserwirtschaft und Gewässernutzung; die Erholung. 

 

Im Zuge der Erarbeitung der einzelnen Projekte sind die technisch und gesetzlich machbaren Varianten einer Interessenabwägung zu unterziehen. Mit Hilfe der Inter­essenabwägung wird die Bestvariante im konkreten Projekt festgelegt und in einer öf­fentlichen Planauflage vorgelegt. 

 

Auch auf der lokalen Ebene ist damit eine Mitwirkung - insbesondere der betroffenen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer - von Anfang an vorgesehen. Sie kann aber erst nach der oben erwähnten Abschnittsplanung starten. 

Eine Ausnahme sind besonders betroffene Familien: Mit ihnen sind das Amt für Umwelt und der Chef des Departements für Bau und Umwelt bereits heute im Austausch, um frühzeitig gute Lösungen zu finden. 

 

  1. Hochwasserschutz und Revitalisierung 

 

Hochwasser stellen für den Kanton Thurgau die grösste Naturgefahr dar. Überschwem­ mungen bergen ein hohes Schadenspotential. Bei einem Extremereignis im Thurtal wird mit einer Schadensumme von bis zu 573 Mio. Franken gerechnet. Der Schutz des Thur­ tals vor Hochwasser ist deshalb eine zentrale Aufgabe, für die der Regierungsrat die Verantwortung trägt. Seine Verantwortung nimmt er mit der Umsetzung des Konzepts Thur3 wahr. 

 

Das heutige Schutzsystem mit den Dämmen stösst an seine Grenzen, es lässt sich nicht einfach verstärken. So sind die Dämme für grosse Wassermengen nicht ausrei­chend belastbar; der Abfluss wird durch Auflandungen im Vorland laufend verringert. Tierbauten in den Dämmen - schätzungsweise mehrere hundert - beeinträchtigen das Schutzsystem. Dammbrüche sind nicht auszuschliessen. 

Die gesetzlichen Grundlagen sind eindeutig: Das Gewässerschutzgesetz (GSchG; SR 814.20) schreibt bei Eingriffen in Fliessgewässer vor, dass der natürliche Verlauf des Gewässers möglichst beibehalten oder wiederhergestellt werden muss (Art. 37 Abs. 2 GSchG). Zudem sind die Kantone seit 2011 zur Revitalisierung von Gewässern verpflichtet (Art. 38a GSchG). Hinzu kommt die Verpflichtung, dass neue Wasserbau­projekte naturnah ausgeführt werden müssen (Art. 4 Abs. 2 Wasserbaugesetz [WBG; SR 721.100] und Art. 37 Abs. 2 GschG). Die gleichzeitige Revitalisierung ist aber nicht Selbstzweck, sondern sie ist aus Sicht des Regierungsrates auch sinnvoll und führt zu 

einem sichereren und robusteren Gesamtsystem Thur. Die Förderung der Biodiversität schafft gerade auch für die Landwirtschaft einen Mehrwert. 

Die mangelnde Hochwassersicherheit ist aber nicht das einzige Problem des Bauwerks Thur. Die Sohlenerosion sorgt dafür, dass sich der Fluss immer tiefer eingräbt und das Grundwasser gefährdet. Die Sohlenerosion bedroht zudem die Stabilität des Dammsys­tems. Die bestehenden Seitenverbauungen des Mittelgerinnes werden mehr und mehr unterspült und drohen zu kollabieren. 

Auf Grund des fachlich eindeutigen Zusammenhangs zwischen der weiterschreitenden Sohlenerosion, der zusehenden Auflandung der Thurvorländer und dem Hochwasser­schutz sowie dem Grundwasserschutz braucht es das übergeordnete Konzept Thur3 als Grundlage für die künftigen Projekte. 

 

  1. Gewässerraum 

Seit Januar 2011 sind im Gewässerschutzgesetz neue Bestimmungen zum Gewässer­ raum in Kraft. Art. 36a GSchG verpflichtet die Kantone, den Raumbedarf der oberirdi­schen Gewässer(= Gewässerraum) festzulegen. Dabei sind die natürlichen Funktionen Hochwasserschutz sowie die Gewässernutzung zu berücksichtigen. Der Gewässerraum bildet den mit dem Gewässer direkt verbundene Lebensraum. Er besteht bei Fliessge­wässern aus dem Raum für eine natürliche Gerinnesohle und den beiden Uferberei­chen. 

Die Festlegung des Gewässerraumes ist ein direkter gesetzlicher Auftrag aus dem Gewässerschutzgesetz und erfolgt unabhängig von Hochwasserschutzprojekten. Gleich­ zeitig handelt es sich in der Gewässerraumausscheidung an der Thur um einen Sonder­fall. Die Ausgangslage mit den teilweise sehr grossen Vorländern von bis zu 300 Metern Breite zwischen den bestehenden Dämmen ist einzigartig. Darum wird der grundeigen­tümerverbindliche Gewässerraum auf der gesamten Länge der Thur sukzessive festge­legt. Das Vorgehen bei der Festlegung der Gewässerraumlinien an der Thur unterschei­det sich daher zu den übrigen Gewässern und ist auch schweizweit ein Sonderfall. 

An der Thur wird der Gewässerraum in folgenden vier Phasen festgelegt: Phase 1: Behördenverbindlicher Raumbedarf 

Phase 2: Festlegung minimaler grundeigentümerverbindlicher Gewässerraum 

Phase 3: Anpassung Gewässerraumlinien in Koordination mit Korrektionsprojek­ten 

Phase 4: Anpassung Gewässerraumlinien bei eigendynamischer Entwicklung (pe­riodische Überprüfung) 

In der ersten Phase hat der Kanton den behördenverbindlichen Raumbedarf der Ge­wässer festgelegt. Für die Thur erfolgte dies mit der Genehmigung des Hochwasser­ schutz- und Revitalisierungskonzeptes für das Thurtal (Konzept Thur3) am 22. März 2022). 


Die Gemeinden sind nun in einer zweiten Phase damit beauftragt, für alle im aktuellen kantonalen Gewässerkataster geführten Gewässer - somit auch für die Thur - bis spä­testens 31. Dezember 2026 den Gewässerraum durch die Festlegung von Gewässerraumlinien grundeigentümerverbindlich zu sichern (§ 34 WBSNG). Der minimale

grund­eigentümerverbindliche Gewässerraum der Thur wird nach Art. 41a Abs. 1 GSchV festgelegt. Der minimale Gewässerraum orientiert sich an der natürlichen Sohlenbreite plus 30 Meter und entspricht dem seitens Bund vorgeschriebenen Mindestmass. 

Mit dem phasenweisen Vorgehen bei der Festlegung des Gewässerraumes an der Thur können die landwirtschaftlichen Flächen, die innerhalb des behördenverbindlichen Raumbedarfs, aber ausserhalb des grundeigentümerverbindlichen Gewässerraumes liegen, bis auf Weiteres intensiv bewirtschaftet werden. Dieses Vorgehen berücksichtigt die Anliegen der Landwirtschaft massvoll. 

Die laufende Phase 2 muss auch ohne die Umsetzung von Thur3 durchgeführt werden. Ein Bezug zu Thur3 entsteht erst in den Phasen 3 und 4. Die Breite des Gewässerrau­ mes der Phase 3 wird im Rahmen der Erarbeitung von eigentlichen Korrektionsprojek­ ten festgelegt. Sie wird sich an den gesetzlichen Vorgaben orientieren wie dem Schutz vor Hochwasser und des für eine Revitalisierung erforderlichen Raumes. Bereits heute klar ist, dass in der Bonau eine Speziallösung gefunden werden muss, weil die Vorlän­ der hier sehr breit sind. 

 

  1. Umgang mit Kulturland 

 

Der Schutz des Kulturlandes ist dem Regierungsrat ein grosses Anliegen. Er setzt sich daher stets für verhältnismässige Lösungen ein - auch bei der Umsetzung von Thur3. 

Es trifft zu, dass für die einzelnen Korrektionsprojekte, die in den kommenden Jahren ausgearbeitet werden, landwirtschaftliche Flächen beansprucht werden. Aktuell ist mit etwa 212 Hektaren in den nächsten 30 bis 35 Jahren zu rechnen, wie bereits einleitend erwähnt wurde. Das entspricht 0,4 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzflä­che im Kanton. Von den 212 Hektaren handelt es sich bei rund 59 Hektaren um Frucht­folgeflächen. Im Gegenzug werden 3'750 Hektaren Land besser vor Überflutungen ge­ schützt. 

Bei der Diskussion über diese Zahlen ist zu berücksichtigen, dass dem Flussraum Thur ursprünglich sehr viel mehr Land entzogen wurde. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts wälzte sich die Thur in weiten Mäandern durch das Thurtal. Die 1. Thurkorrektion von 1867 bis 1893 brachte einen massgeblichen Wandel. Der Schutz des Thurtals vor Hochwasser basiert seitdem auf einem durchgehend kanalisierten Fluss mit flankieren­ den Schutzdämmen. Mit der Kanalisierung konnte sehr viel Kulturland ausserhalb der Dämme gewonnen und vor Hochwassern gesichert werden. Mit der Zeit wurde auch das Thurvorland, das zum Fluss gehört, landwirtschaftlich genutzt. Weiden und Frucht­folgeflächen liegen heute teilweise direkt neben den Uferverbauungen. Es ist allerdings auch weitgehend unbestritten, dass die Thur den Raum zwischen den Dämmen benö­tigt, um das Hochwasser und das Geschiebe schadlos durch den Kanton Thurgau zu leiten. 

Mit dem gesetzlichen Hochwasserschutz und der damit verbundenen Revitalisierung wird der Thur in Relation zum ursprünglichen Flusslauf nur ein relativ kleiner Raum zu­ rückgegeben, den sie für eine eigendynamische Entwicklung zwingend benötigt. 

Zusammengefasst wird der Schutz des Kulturlandes in jedem künftigen Projekt ein wichtiges Thema sein. In jedem Projekt findet zwingend eine Interessenabwägung statt.