Offener Brief

Offener Brief an die Thurgauer Regierung und die Umweltverbände:


Dringende Anpassung des Konzepts Thur3 im Hinblick auf den Gewässerraum, Hochwasserschutz und Ernährungssicherheit

Sehr geehrte Damen und Herren, Regierungsrätinnen und Regierungsräte
Sehr geehrte Damen und Herren der Umweltverbände


Mit grosser Besorgnis möchten wir Sie auf den unverhältnismässigen Landverlust hinweisen, der durch das Konzept Thur3 entsteht. Trotz entsprechenden Vorgaben der Gewässerschutzverordnung (GSchV) wird nicht verantwortungsvoll mit den zur Verfügung stehenden Flächen umgegangen. Der Schutz der Gewässer darf nicht auf Kosten der landwirtschaftlichen Nutzfläche und der Ernährungssicherheit erfolgen.


Hochwasserschutz und die Sicherung landwirtschaftlicher Flächen müssen oberste Priorität haben. Versiegelte Flächen führen zu erhöhten Abflussmengen und verschärfen die Hochwassergefahr. Es ist unerlässlich, den Hochwasserschutz in den Vordergrund zu stellen, ohne dabei die lebenswichtigen Nutzflächen zu gefährden.


Gewässerschutzverordnung (GSchV)

Die Gewässerschutzverordnung, basierend auf dem Gewässerschutzgesetz (GSchG), verpflichtet alle Akteure, durch geeignete Massnahmen den Schutz und die Reinhaltung der Gewässer sicherzustellen. Dies umfasst nicht nur den Schutz der Wasserqualität, sondern auch den Hochwasserschutz. Die relevanten Artikel (Art. 9, 14 Abs. 7, 16, 19 Abs. 1, 27 Abs. 2, 36a Abs. 2, 46 Abs. 2, 47 Abs. 1 und 57 Abs. 4 GSchG) betonen die Notwendigkeit eines ökologisch und ökonomisch vertretbaren Umgangs mit Landressourcen – unter Berücksichtigung von Abflussmengen und deren Auswirkungen auf die Flussökosysteme und die umliegenden Gebiete.


Konzept Thur3: Unverhältnismässiger Umgang mit Land
Das Konzept Thur3 sieht eine Ausdehnung des Gewässerraums vor. Überdimensionierte Gewässerräume führen zu unnötigem Verlust landwirtschaftlicher Flächen. Angesichts der wachsenden Bevölkerung und des damit verbundenen Bedarfs an Lebensmitteln aus inländischer Produktion ist dies nicht vertretbar. Es wird deshalb gefordert, dass sich die Breite des Gewässers an den Mindestmassen orientiert, sofern damit der Hochwasserschutz gewährleistet ist, und darüber hinaus keine zusätzlichen Flächen als Gewässerraum ausgeschieden werden.


Oberflächenversiegelung und erhöhte Abflussmengen
Die zunehmende Versiegelung trägt dazu bei, dass die Abflussmengen steigen und die Gefahr von Hochwasser zunimmt. Geplante Massnahmen zur mechanischen Aufweitung des Flussbetts bieten bereits mehr Volumen für den Abfluss und erhöhen die Hochwassersicherheit. Eine weitere übermässige Ausdehnung des Gewässerraums ist jedoch weder gerechtfertigt noch wirtschaftlich tragbar. Sie führt zu unnötigen Flächenverlusten und verursacht hohe Bau- und Unterhaltskosten, die langfristig eine erhebliche Belastung darstellen.


Schutz der Kulturlandschaft und landwirtschaftlicher Flächen
Der Schutz der Kulturlandschaft und der landwirtschaftlich genutzten Flächen muss Vorrang vor überdimensionierten Revitalisierungsprojekten haben. Diese Flächen sind für die Ernährungssicherheit unverzichtbar und dürfen nicht durch unnötige Revitalisierungsmassnahmen beeinträchtigt werden.

 

Umweltverbände und fremdes Eigentum
Wir kritisieren, dass Umweltverbände Massnahmen verlangen, die sich auf fremdes Eigentum auswirken, ohne die Konsequenzen für die betroffenen Landwirte und Eigentümer ausreichend zu berücksichtigen. Es ist nicht akzeptabel, dass über fremdes Eigentum entschieden wird, ohne die Interessen der Betroffenen angemessen zu wahren.


Wiedereinbau vorhandener Naturflussbausteine
Der Wiedereinbau bereits finanzierter Naturflussbausteine sollte als Teil einer nachhaltigen Lösung umgesetzt werden. Diese Elemente tragen zum natürlichen Verlauf der Thur bei und unterstützen den Hochwasserschutz, ohne dabei wertvolle landwirtschaftliche Flächen zu verlieren. Innovative Lösungen zum Schutz des Kulturlandes sollten ebenfalls verstärkt genutzt werden.


Fehlende Beteiligung der Bevölkerung und des Grossen Rates
Besorgniserregend ist der mangelnde Einbezug der Thurgauer Bevölkerung und des Grossen Rates bei der Entscheidungsfindung. Ein Vorhaben dieser Tragweite, das die Lebensgrundlagen vieler Bürger und Landwirte betrifft, muss transparent, demokratisch und unter breiter Beteiligung der betroffenen Bevölkerung umgesetzt werden. Der Mangel an öffentlicher Mitwirkung ist nicht hinnehmbar und muss korrigiert werden.


Unsere Forderung: Ein ausgewogenes Konzept für Hochwasserschutz und Ernährungssicherheit
Wir fordern eine grundsätzliche Überarbeitung des Konzepts Thur3. Die Gewässerräume müssen verkleinert und die Eingriffe näher an die Thur verschoben werden, um sowohl den Hochwasserschutz als auch den Erhalt der landwirtschaftlichen Flächen sicherzustellen. Die Grundsätze der Gewässerschutzverordnung für einen sparsamen Umgang mit Land müssen konsequent eingehalten werden.


Es ist Ihre Verantwortung, eine Lösung zu finden, die den Schutz der Bevölkerung vor Hochwasser mit dem Erhalt der landwirtschaftlichen Nutzflächen in Einklang bringt. Die Anliegen der Landwirte und Bürger müssen ernsthaft berücksichtigt werden, und es sollten rasch Massnahmen ergriffen werden, um den übermässigen Landverlust im Rahmen des Thur3-Projekts zu korrigieren, schon im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des grundeigentümerverbindlichen Gewässerraums.

Mit Nachdruck fordern wir eine sofortige Anpassung des Projekts, die sowohl die Hochwasser-Resilienz als auch die wirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Interessen des Kantons wahrt, die Rechte der betroffenen Eigentümer achtet, finanzpolitisch verkraftbar und im Hinblick auf die Ernährungssicherheit vertretbar ist.


Wir stehen jederzeit für einen offenen Dialog oder Fragen zur Verfügung und erwarten Ihre
Rückmeldung.